Pipi im Tank?
Wegen der Ukraine geht ja hier bald gar nichts mehr. Mehl alle, Nudeln knapp, Salatöl kostet mehr als Doppelkorn. Aber da bahnt sich derzeit etwas an, mit dem nur die Wenigsten wirklich rechnen. Da wir ja inzwischen Sanktionsweltmeister werden wollen, muss man sich nicht wundern, wenn der Iwan sein Zeug behält (und das gilt nicht nur für das Gas...)
Thema: Diesel Exhaust Fluid: Kein DEF - keine Lebensmittel. Ganz einfach. Was ist da los?
In den USA schrillen bei Vielen so langsam die Alarmglocken. Auf dem amerikanischen Markt entwickelt sich langsam aber stetig eine dramatische Knappheit an DEF-Flüssigkeit. Das ist Diesel Exhaust Fluid, auf Deutsch "Dieselabgasflüssigkeit". Um die immer strengeren Emissionsvorschriften erfüllen zu können, setzen die Hersteller von modernen Fahrzeugen mit Dieselmotoren die sogenannte "selektive katalytische Reduktion (SCR)" mit DEF bzw. bei uns unter dem Markennamen "AdBlue" bekannt.
Die Harnstofflösung AdBlue dient in Diesel-Pkw und -Lkw mit SCR-Katalysator zur Abgasreinigung. Die Flüssigkeit wird in den Abgasstrang eingespritzt, um Stickoxide unschädlich zu machen. Jeder Diesel-Lkw, der seit 2010 hergestellt wurde, muss es verwenden. Allerdings brauchen auch alle Traktormodelle, die nach 2013 gebaut wurden, das Additiv DEF - dessen Knappheit wird also alle Komponenten der Lebensmittelproduktion und -lieferung betreffen.
Ohne DEF Additiv fahren die modernen Diesel-Maschinen keinen Meter. Etwa alle 300 Meilen wird in den USA eine Gallone davon verbraucht. Die Motoren lassen sich ohne dieses Produkt nicht starten. Im Motor befinden sich Regler, die DEF mit dem Diesel mischen, um die Dieselemissionen zu verringern. DEF besteht aus 67% Harnstoffdünger und 33% destilliertem Wasser.
Russland (nein, diesmal nicht die Ukraine) ist erstaunlicherweise mit großem Abstand der größte Exporteur von Harnstoff, den man zur Herstellung von DEF braucht. Katar folgt an zweiter Stelle, Ägypten und China liegen gleichauf auf Platz 3 der Export-Länder für Urea fertilizer, also Harnstoffdünger. Sowohl Russland als auch China haben beschlossen, keinen Harnstoff mehr zu exportieren (!). Indien ist der größte Harnstoffhersteller der Welt, allerdings verbraucht es den größten Teil seiner Produktion selbst, die Inder stoppen gerade den Export von Harnstoff in jeglicher Form.
Zurück nach Amerika, dort nimmt das Übel nämlich schon seinen Lauf. Allerdings geschehen dort wirklich eigenartige Dinge.
Die USA importieren den größten Teil ihres Harnstoffdüngers, sie sind sogar der drittgrößte Importeur der Welt. Das ist das Eine.
Es scheint in den USA aber noch weitere Flaschenhälse für die Knappheit zu geben: Das ist zum einen "Flying J" - der größte Dienstleister für Trucker in den Vereinigten Staaten mit riesigen Tankstellen, sie liefern 30% des gesamten DEF-Verbrauchs in den USA. Flying J bezieht 70% seiner DEF-Flüssigkeit aus Transporten über die Union Pacific-Eisenbahn. Und Union Pacific ist der nächste "bottle neck" - das Unternehmen hat alleinigen Zugang zu genau den Düngemittelfabriken, aus denen die Harnstoff/DEF-Flüssigkeit stammt. Kein anderer Bahnanbieter hat Zugang zu diesen Vertriebsstellen. Das bedeutet, dass Flying J die Union Pacific nicht einfach umgehen kann. Union Pacific hat praktisch das Sagen über den Markt der DEF. Union Pacific hat nun Flying J aufgefordert, seine Transporte um die Hälfte zu reduzieren. Wenn sie dem nicht nachkommen, werden sie mit einem vollständigen Embargo belegt, das würde Flying J in den Bankrott treiben. Das bedeutet nun also, dass 15% des von den Truckern in den USA verbrauchten DEF Additivs an der größten Tank-Infrastruktur nicht mehr erhältlich sind. Klingt natürlich erst einmal nicht dramatisch, aber das ist nur der Beginn einer Ereigniskette, die erhebliche Auswirkungen zeitigen kann.
Es gibt nicht nur einen Mangel an Düngemitteln für den Anbau von Feldfrüchten in dürregeplagten Staaten - siehe Kansas' Rindersterben und den Rückgang der Weizenproduktion, jetzt sieht es so aus, als ob es zu einer massiven Verknappung des Lkw-Verkehrs kommen wird. Es wird einfach nicht genügend DEF-Flüssigkeit geben, um die Motoren am Laufen zu halten und zu bewegen. Home Depot hat bereits die Menge an DEF eingeschränkt, die man in seinen Geschäften kaufen kann. Die Situation ist so ernst, dass der CEO von Flying J, Shameek Konar, zu einer Anhörung der Verkehrsbehörde vorgeladen wurde, um Auskunft zu geben.
Jetzt kommen die Haifischkapitalisten in den Karpfenteich. BlackRock Asset Management ist der Mehrheitsaktionär der Union Pacific Eisenbahngesellschaft. Siehe oben: Transportkapazitätenverknappung. Amerikas größter Düngemittelhersteller ist CF Industries. Deren größter Aktionär ist (wer hätt's gedacht?) BlackRock. Ergo: BlackRock kontrolliert die Düngemittelindustrie in den Vereinigten Staaten und damit den Verkehrsfluss. Alle Investitionen von BlackRock (ca. 10 Billionen US$ !) kontrolliert das Investement Institute. Vorsitzender ist der ehemalige nationale Sicherheitsberater von Präsident Obama, Tom Donilon.
Zusammenfassung:
- Harnstoff ist ein Düngemittel. Daraus wird DEF / Ad Blue gemacht.
- Union Pacific hat die Exklusivrechte an den Vertriebsstellen für Düngemittel in den USA.
- Flying J braucht Urea/DEF, um den Verkehrsfluss versorgen zu können.
- BlackRock kontrolliert die Schlüsselpositionen über Mehrheitsverhältnisse.
Personal:
- Tom Donilon ist der Vorsitzende des BlackRock Investment Institute.
- Tom Donilons Bruder, Mike Donilon, ist ein Senior Advisor von Joe Biden.
- Tom Donilons Frau, Catherine Russell, ist Personaldirektorin im Weißen Haus.
- Tom Donilons Tochter, Sarah Donilon arbeitet im Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses.
Donilon ist außerdem Mitglied des Council on Foreign Relations, der Aspen Strategy Group, der National Security Advisory Group to the Congressional Leadership, des Brookings Institution Board of Trustees, des Miller Center of Public Affairs Governing Council und der Trilateralen Kommission.
Natürlich kann man diese Zusammenhänge nicht 1:1 aus den USA auf europäische Verhältnisse ummünzen, doch sollte klar sein, dass die Strukturen hier nicht viel anders sind. Der Wegfall Russlands und anderer Großexporteure für Harnstoff wird nicht nur die Autoindustrie bzw. den fließenden Verkehr treffen. Dünger wird sich extrem verteuern (das passiert bereits), was wiederum die Lebensmittelpreise explodieren lässt. Die Inflationsspirale hat gerade erst begonnen sich zu drehen und das Tempo zieht merklich an. Und die halb leeren Regale bei Aldi sind die neue Realität.